Denis Wischniewski über Trends im Trailrunning und Corona

11. Experteninterview

Im 11. Laufschuhkauf.de Experteninterview spricht Denis Wischniewski, Herausgeber des Trailmagazins, über Trends im Trailrunning, Trailschuhe, die Ergebnisse der Leserumfrage aus 2020 und Corona.

Viel Spaß!


Corona und Trailrunning

Laufschuhkauf.de 2020 war ein herausforderndes Jahr. Viele Trailveranstaltungen, Trailcamps usw. sind ausgefallen. Kein ZUT, kein UTMB, kein TAR aber auch viele kleine Veranstaltungen fielen Covid19 zum Opfer oder konnten nur virtuell stattfinden. Wie hast du persönlich das letzte Jahr empfunden?

Denis Wischniewski: Ich war zunächst in Panik. In einer Art Schockzustand, hatte eine tiefe Angst um meine Existenz, um das Magazin, den Verlag. Wir bekamen mit dem Eintritt in den ersten Lockdown direkt die ersten Stornos von Anzeigenkunden und ich dachte „okay, das wars!“.

Aber es trat dann etwas ein, womit ich nicht rechnen konnte: Die Leute waren unfassbar solidarisch. Wir hatten innerhalb von nur 14 Tagen über 1.500 Neuabonnenten und kompensierten damit die Ausfälle am Kiosk. Auch die folgenden Monate liefen wirtschaftlich für TRAIL gut – Trailrunning war ein großes Thema und wir als Magazin konnten davon profitieren und auch als  gedrucktes Magazin waren wir im digitalen Wahnsinn wohl eine ruhende Oase für viele.

Trailrunning in alpinem Gelände (c) Denis WischniewskiEinige Events konnten stattfinden und ich war selbst bei zweien dabei. Das war auf der Strecke wirklich okay und kaum zu den Vorjahren zu unterscheiden, aber davor und danach im Start / Ziel war das alles befremdlich. Mir fehlte der Kontakt, die Umarmungen zu den anderen. Trailrunning lebt von der Interaktion, von der Gruppe.

Ich hoffe wir können bald wieder zusammen laufen, bei Community Runs und auch bei Wettkämpfen. Der Sport braucht diese Megaevents wie UTMB zwar nicht zwingend, aber einmal im Jahr ist so ein Showdown einfach toll.

Für mich persönlich war das Jahr aber auch durchaus positiv. Ich hatte nach vielen Jahren der Reisen endlich mehr Zeit, wir bauten unser Haus im Chiemgau um, ich entdeckte dort die Berge und Trails vor der neuen Haustür. Die Ruhe hatte etwas heilendes.

Trailrunning ist mehr als nur ein Sport

Laufschuhkauf.de: Wie schätzt du den Einfluss von Corona auf die Trailrunningszene ein?

Denis Wischniewski: Das lässt sich nicht sagen. Ich merke, dass die Szene stark ist. Ich denke, sie wird auch nach der Krise wieder rasch zueinander finden und als Gruppe tolle Ideen und Projekte verfolgen. Corona hat dem einen oder anderen ganz sicher gezeigt, dass Laufen mehr als nur ein Sport ist und dabei seine wahren Qualität ausgespielt.

Man schätzt in Zukunft diese Bewegungsform in der Natur mehr als je zuvor. Das bedeutet, dass wir damit künftig auch bewusster umgehen.

Trailrunning als optimales Tool zum Stressabbau

Laufschuhkauf.de: Homeoffice, Kurzarbeit, Coronawahnsinn – Was kann Trailrunning dazu beitragen im „Lot“ zu bleiben?

Denis Wischniewski: In Zukunft, das ist nicht nur mehr eine Prognose, wird unser Tagesablauf ein anderer sein. Wir sind hier und da flexibler, haben mehr Spielräume. Trailrunning passt als Hobby und Ausgleich perfekt in unseren neuen Alltag. Schnell mal raus, eine Stunden auspowern, duschen und wieder an den Rechner. Keine anderer Sport ist so praktisch, effizient und integrierbar wie Trailrunning und Laufen. Diese Werte entdecken im Moment sehr viele Leute. Wer es dann noch schafft sein „Laufen“ bewusst und mit der nötigen Geisteshaltung zu erleben, der hat damit ein ideales Tool um Stresssituationen abzubauen.

Corono und das Trailmagazin

Laufschuhkauf.de: Wie war das Jahr 2020 für das Trailmagazin?

Denis Wischniewski: Wie oben erwähnt, hatten und haben wir massive Ausfälle am Kiosk und im Einzelhandel, aber konnten das durch die Hilfe der Abonnenten, Freunde und treuen Leser, gut auffangen. Das Gefühl, dass da viele, viele Leute sind, die unsere Arbeit mögen, war richtig schön. Mit dem Launch von myvirtualtrail.de in einer Kooperation mit Adidas, hatten wir 2020 sogar ein besonderes Projekt, das auch 2021 weiterläuft und großen Zuspruch haben wird.

Laufschuhkauf.de:  Corona verändert alles. Vieles beschleunigt sich in der Entwicklung. Was macht ihr als Trailmagazin in 2021 neu oder anders?

Trailmagazin Startseite (c) Laufschuhkauf.deDenis Wischniewski: Wir sind ja digital schon seit Jahren für ein Print-Laufmagazin ganz gut aufgestellt. Unser Dreh- und Angelpunkt ist und wird das gedruckte Heft bleiben. Es ist sehr erfolgreich. Wir haben um die 20.000 Leser*innen. Das ist für das noch spezielle Thema eine irre Zahl.

Inhaltlich wollen wir da weitermachen wo wir anfingen – authentisch über die Trailszene berichten, nicht in Superlativen denken und sprechen, sondern das Thema so publizieren wie es ist. Mit Fehlern und mit all den Geschichten die eben dabei sind. Laufen und Trailrunning ist Fallen und Aufstehen.

2021 bringt für uns einen Ausbau der digitalen Inhalte. Wir werden ein TRAIL TV auf YouTube als Serie produzieren, Produktreviews ausbauen und mit myvirtualtrail rund 20 Strecken bundesweit anbieten. Zudem freuen wir uns Ende April auf einen Staffellauf quer durch Deutschland, ein Event für das sich Leser*innen bewerben können.

Night of the Trail 2021 – Trailmagazin Leserumfrage

Laufschuhkauf.de: Bei eurer Leserumfrage im Dezember haben 2.500 Läufer teilgenommen. Die Ergebnisse der Leserumfrage hatten durchaus Überraschungen parat. Einige Trends zeichnen sich ab. Was waren für dich die überraschendsten Ergebnisse?

Denis Wischniewski: Ich will ehrlich sein: Überrascht hat mich nur wenig, da wir die Umfrage jährlich posten und vieles eine stete Entwicklung ist. Ich freue mich darüber, dass der Frauenanteil von 18% (2017) auf nun 27% gestiegen ist, dass die beliebtesten Wettkampfdistanzen nun nicht mehr die Ultrastrecken sind, sondern die 20-40 Kilometer.

Laufschuhkauf.de: Im Vergleich zum Straßenlaufen ist Trailrunning schon mehr Materialschlacht. Wie sieht es bei der Zahl der genutzten Laufschuhe bei euren Lesern aus?

Denis Wischniewski: Im Kern, also über die Hälfte aller Leser*innen, besitzen 5-7 Paar Trailschuhe. 30% zählen gar 7-10 Paar. Da sieht man, dass das Leute sind, die schon intensiv im Hobby stecken und auch seriöse Infos einfordern.

Grip und Dämpfung als wichtigste Anforderungen

Laufschuhkauf.de: Was ist den Lesern bei den Trailschuhen besonders wichtig? Wie ordnest du das für dich persönlich ein? Was ist dir bei Trailrunningschuhen am wichtigsten?

Denis Wischniewski: Zwei Dinge liegen in der Wichtigkeit ganz vorne: Der Grip und die Dämpfung.

Und tatsächlich unterstreiche ich das gerne, denn ein Trailschuh ohne echten Grip darf den Titel nicht tragen. Ohne Grip wird’s unter Umständen auch einfach sehr gefährlich.

Dämpfung steht hoch im Kurs. Das hat mit den langen Distanzen und den vielen Stunden zu tun die die Leute auf Trails verbringen. Das System Minimal- und Natural Running hat im Trailrunning nicht funktioniert. Das ist schade, aber ein Fakt.

Trailrunning bleibt ein günstiger Sport

Laufschuhkauf.de: Wie steht es um die Ausgabebereitschaft eurer Leser für ihren Sport und wie hat sich das über die Jahre entwickelt?

Denis Wischniewski: Die ist durchaus hoch, aber ist über die Jahre nur wenig gestiegen. Mehr als die Hälfte der Leute geben jährlich zwischen 500 und 1000 Euro aus. Das bedeutet übersetzt: Zwei Paar Schuhe, eine kleine Gesamtausrüstung und zwei Wettkämpfe.

Laufschuhkauf.de: Wenn man das so hört drängt sich fast die Frage auf ob Trailrunning tatsächlich noch eine günstige Sportart ist?

Denis Wischniewski: Ist es! Ist es noch immer. Ich erinnere mich an die Ausgaben meines Vaters in den 1980er Jahren für Tennis oder Skisport und später für das Paragliden. Nein, da ist Trailrunning, noch immer günstig. Mal ehrlich – es kommt doch darauf an, wie man den Sport auslebt. Ohne Event, ohne Camps, Reisen und dem Drang auch modisch unterwegs zu sein, kommt man mit guten Schuhen doch ziemlich weit. Wer sich minimiert und nachhaltig agiert, kann mit wenig Ausgaben diesen Sport ausüben.

Salomon ist Trailrunning

Denis Wischniewski auf dem Trail (c) Denis WischniewskiLaufschuhkauf.de: Kaum eine Marke steht so für das Thema Trailrunning wie Salomon. Zum wiederholten Mal hat Salomon die Wahl zur beliebtesten Trailmarke gewonnen und den Vorsprung sogar noch ausgebaut. Wie haben sich die anderen Marken geschlagen?

Denis Wischniewski: Wir sind überrascht, dass der Abstand größer geworden ist. Salomon macht aber einen guten Job, haben gute Ideen, transportieren das Gefühl für den Sport perfekt. Die Produkte sind schlicht sehr gut und das merken die Leute.

Dennoch ist der beliebteste Trailschuh ein Hoka One One Speedgoat und auch andere Marken rücken zumindest auf hohem Niveau zusammen. In den kommenden Jahren werden Adidas und Hoka weiter am Thema arbeiten.

Laufschuhkauf.de: Worin siehst du den nachhaltigen Erfolg von Salomon begründet?

Denis Wischniewski: Nun ja. Sie sind vom ersten Tag an dabei. Sind so etwas wie die Ersten die sich mit speziellen Produkten dem Thema angenommen haben. Dass sie erfolgreich sind, hat viele Säulen: Produkte die sich sehr spezifisch den Bedürfnissen annehmen, ein Athletenteam, das für Aufmerksamkeit sorgt und mit Kilian Jornet ein Ausnahmeläufer, der die Marke repräsentiert und die Funktionalität der Produkte bestens unterstreicht.

Trends im Trailschuhmarkt

Laufschuhkauf.de: Welche Marken, die neu auf den Markt kommen oder relativ neu auf dem Markt sind findest du besonders interessant und warum?

Denis Wischniewski: Schwere Frage. Meine Erfahrung ist eher, dass fast alle die neu im Markt sind, es nicht schaffen, einen guten Trailschuh zu bauen. Es bedarf meist mehrerer Saisons um einen Trailschuh zu schaffen, der richtig gut ist.

Laufschuhkauf.de: Welche Trends siehst du aktuell im Trailschuhmarkt?

Denis Wischniewski: Der Trend ist, dass heute mehrere Dinge zusammenkommen die früher eher nur einzeln im Trailschuh zu finden waren. Heute ist Trend, dass ein Trailschuh viele Dinge vereint. Wenig Gewicht, Dämpfung, Stabiltät / Fit und ordentlich Grip. Diese Allrounder sind gefragt und sind für Einsteiger und auch Profis relevant.

Karbonplatten erhalten Einzug auf dem Trail

Laufschuhkauf.de: Karbonplatten in Straßenlaufschuhen sind fast schon Normalität. In 2021 schwappt das Thema auch auf den Trail. Was ist deine Meinung dazu?

Denis Wischniewski: Ich durfte als Testredakteur bereits in einigen Prototypen laufen und war grundsätzlich angetan. Die Modelle haben tatsächlich einen Effekt. Es wird wohl so sein, dass Trailschuhe mit Carbonplatte für die eher laufbaren Trailstrecken, bei Wettkämpfen oder Rekordläufen, ihren berechtigten Einsatz finden. Im täglichen Einsatz sehe ich sie nicht. Die Belastung auf Sehnen sind hoch. Es wird eine Technologie für ambitionierte Leute sein, die in reduzierter Form, aber auch in Einsteiger-Modellen zum Einsatz kommen kann. In technisch anspruchsvollen, alpinen Umfeldern, sehe ich die Carbon-Schuhe nicht.

Nachhaltigkeit im Trailrunningmarkt

Trailrunning an der Isar (c) Denis WischniewskiLaufschuhkauf.de: Über Nachhaltigkeit wird viel gesprochen. Welche Marke ist hier in deinen Augen besonders vorbildlich? Was braucht es, damit das Thema im Gesamtmarkt so richtig Fahrt aufnimmt?

Denis Wischniewski: Komplexes Thema. Zunächst muss die Bereitschaft der Zielgruppe steigen, mehr Geld für gute Produkte zu zahlen. Das ist die Grundvoraussetzung damit Musik ins Spiel kommt.

Es geht letztlich ja nicht um die wenigen Hersteller, die bereits nachhaltig produzieren, sondern um einen kompletten Umbau einer Industrie. Ich bin mir aber sicher, dass der einzelne Kunde, eine Verantwortung trägt und Einfluß hat. Ich kann nur sagen: Befasst euch mit den Herstellern, mit den Produkten, mit der Qualität. Wer gute Produkte kauft, die lange haltbar sind, hat mehr Spaß daran und kauft am Ende weniger. Das ist nachhaltig.

Laufschuhkauf.de: Wenn du dir von den Laufschuhherstellern etwas wünschen dürftest, was wäre das?

Denis Wischniewski: Meine Wünsche wurden doch schon erfüllt. Ich bin ganz zufrieden.

Ich bin durchaus auch ein Mensch, der der Optik und dem Design unterliegt. Insofern wünsche ich mir mutige Design, viel Farbe und Experimente mit unkonventionellen Materialien und Stoffen.

Laufschuhkauf.de:Vielen Dank für das Gespräch.

Denis Wischniewski: Ich danke.


Steckbrief Denis Wischniewski

Denis Wischniewski (c) Denis WischniewskiDenis Wischniewski wurde am 30. Juni 1973 in Reutlingen geboren, ist ein deutscher Ultratrailläufer und Herausgeber der Fachzeitschrift „Trail – Das Laufmagazin Nr. 1 für Trailrunner“. Als ausgebildeter Informationsdesigner arbeitete er zunächt bei zahlreichen bekannten Magazinen wie bspw. dem Connect Magazin bevor es ihn zum Bike und dann zum Freeride Magazin in den Sport verschlug. 2008 wagte Denis Wischniewski dann den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete das Magazin Trail, dass sich mit viel Herzblut dem Thema Trailrunning widmet. Darin zu finden ist u. a. der größte deutschsprachige Test zum Thema Trailschuhe.

Das er nicht nur schreiben sondern auch laufen kann, hat er mit zahlreichen Finishs bei diversen Trailrennen weltweit unter Beweis gestellt. So finishte er u. a. den Tor des Geants, den Marathon des Sables, den Yukon Arctic Ultra, den Swiss Irontrail 201, den Transgrancanaria oder den Transrockies Run, überquerte aber bspw. auch die Ziellinie beim Transalpine Run. 2016 startete er sein bislang größtes Laufabenteuer und lief in 41 Etappen, über 2.100 km von München bis an die bulgarisch-türkische Grenze. Dieser Lauf wurde von einem Filmteam begleitet und hatte 2018 unter dem Titel „Einen Sommer lang“ Premiere. Neben dem 90 min. Film, der auf youtube kostenlos angeschaut werden kann, gibt es zu dem Projekt „Einen Sommer lang“ ein Buch.

Denis über das Laufen: „Ich bin ein großer Freund für das lustvolle Laufen, dafür, dass man auch dem Gefühl nachgeben darf, keine Lust zu haben. Ein guter Trailrunner zu sein, bedeutet eben auch ganz bewusst NICHT zu laufen. Gutes Laufen funktioniert nur mit den nötigen Pausen.“


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