FAQ Was ist eine Überpronation?

In Läuferkreisen viel diskutiert und angeblich weit verbreitet ist die Überpronation. Viele sprechen davon aber nicht alle wissen von was sie da genau reden. Im folgenden FAQ Artikel „Was ist eine Überpronation?“ soll mit dem ein oder anderen Missverständnis aufgeräumt und der Begriff Überpronation in seinen Facetten erklärt werden. Folgende Punkte werden erläutert:


Erklärung des Begriffs Überpronation

Unter Überpronation wird eine zu starke Pronation verstanden. Einfach ausgedrückt kippt der Fuß in der Abrollbewegung übermässig nach innen. Fachmännischer ausgedrückt ist die Überpronation eine Drehnung des Fußes um seine Längsachse bei der der äußere (laterale) Fußrand angehoben und gleichzeitig der innere (mediale) Fußrand gesenkt wird. Von der Überpronation abzugrenzen ist die Pronation die die natürliche Dämpfungsbewegung des Fußes darstellt und die Supination die gegensätzliche Bewegung zur Überpronation. Läufer die in der Abrollbewegung übermässig nach innen einknicken werden als Überpronierer bezeichnet.

Wie erkenne ich eine Überpronation?

Es gibt mehrere Möglichkeiten eine Überpronation zu erkennen.

Einen ersten Hinweis kann dir dein Laufpartner geben. Am besten läuft er hinter dir her und schaut beim Laufen von hinten auf deine Füße. Das Übermässige-nach-innen-kippen ist bei einer deutlichen Überpronation auch mit bloßem Auge zumeist zu erkennen.

Überpronation (c) Kriwat GmbHGenauen Aufschluss darüber gibt aber nur eine Laufbandanalyse am besten mittels Videoaufzeichnung die Zeitlupe und Standbilder ermöglicht. Entscheidend hierbei ist die richtige Betrachtung und Einschätzung der Bewegung denn was in der Praxis als „übermäßig“ einzustufen ist, ist gar nicht so leicht zu definieren. Von (zu) vielen Faktoren hängt die Pronationsbewegung beim Laufen ab (Rotationsposition der Beinachse, dynamische Beinachsenstabilität, verwendete Laufschuhe usw.). Aber genau diese sind bei der Betrachtung mit einzubeziehen. Im Idealfall steht das Fersenbein auf einer ebenen Fläche senkrecht, d.h. der Fersenbein-Boden-Winkel beträgt 90°. Je nach Quelle wird eine Einknickbewegung von 4 – 15° (8 – 12°) als normal eingestuft. In diesem Fall beträgt der Winkel zwischen Boden und Fersenbein (bzw. Fersenkappe des Schuhs) 94 – 105°. Ein stärkeres Verkippen des Fersenbeins nach innen wird als Überpronation bezeichnet.

Entscheidend ist letzten Endes die Einschätzung des Abrollvorgangs durch einen Spezialisten der die Bewegung gesamthaft einzuordnen vermag. Die natürliche Pronation wird z. B. bei Läufern mit O-Beinen bei alleiniger Betrachtung der Sprunggelenke schnell als problematisch eingestuft weil der Winkel vom Fersenbein zur Wade sehr groß wirkt (auch wenn der Fuß fast gerade steht). Der Laie ist dann schnell selbst der Meinung gestützte Schuhe zu benötigen. Dies ist aber bei O-Beinen fast nie der Fall. Im Gegenteil: Bei Läufern mit O-Beinen ist oft sogar eine Supination zu finden bei der gestützte Laufschuhe kontraproduktiv wären.

Beim Betrachten der Laufschuhsortimente im Handel und den Angaben der Laufschuhhersteller folgend entsteht der Eindruck, dass immer noch viele Läufer pronationsgestützte Schuhe benötigen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass eine tatsächliche Überpronationsbewegung in der Praxis viel seltener vorkommt, als es das Angebot von Handel und Industrie suggerieren. Dr. Matthias Marquardt geht in seiner Laufbibel z. B. nur von 45 % Überpronierer aus. Entscheidend ist hierbei nochmals der Hinweis die so genannte physiologische Pronationsbewegung, d.h. den natürlichen Dämpfungsmechanismus des Fußes nicht als Überpronation einzustufen und mit Stützelementen wegzukorrigieren. Eine geringe Bewegung nach innen ist, auch wenn es in dem ein oder anderen Geschäft in dem Laufschuhe verkauft werden anders eingeschätzt wird, eine normale ja sogar gewünschte und notwendige Bewegung.

An alten Schuhen lässt sich eine Überpronation ebenfalls erkennen. Eine im Vor- und Rückfußbereich innen stärker abgelaufene Außensohle deutet ebenso auf eine Überpronation hin wie ein im Rückfußbereich innen ausgebeulter Schaft. Beim Betrachten der Schuhe von hinten ist bei Überpronierern häufig auch ein verzogener Schaft zu finden. Der Schuh steht oft nicht mehr im Lot sondern neigt sich mehr oder weniger stark nach innen. Umso mehr je weniger der Schuh von der Stabilität her geeignet war. Oft steht der Schuh auf einer ebenen Unterlage auch nicht mehr plan auf sondern kippelig.

Überpronation begünstigende Faktoren

 Folgende Punkte kommen als Auslöser bzw. Verstärker einer Überpronation in Frage:

Laufgeschwindigkeit und Körpergewicht haben entgegen der landläufigen Meinung keinen Einfluß auf den Grad der Überpronation. Häufig sind mehrere Faktoren zusammen zu finden die dann auch den Grad der Überpronation bestimmen. Bei Frauen ist eine Überpronation aufgrund der zumeist breiteren Beckenstellung häufiger zu finden als bei Männern.

Ist eine Überpronation schädlich?

Lange Zeit galt die Überpronation als der „Feind“ des Läufers und die Laufschuhindustrie richtete alles darauf aus diese „gefährliche Bewegung“ zu verhindern. Dabei wurde im „Pronationsstützenwahn“ durch steife Laufschuhe mit stabilen Pronationsstützen auch die natürliche Pronation verhindert. Diese ist aber wie oben bereits geschrieben absolut notwendig. Zudem kann der Bewegungsapparat eine durch zu stabile Laufschuhe verursachte Supination viel schlechter kompensieren als eine zu starke Überpronation. Letztere kann der Körper besser muskulär stabilisieren. Inzwischen ist die Betrachtung deutlich differenzierter. Es setzt sich die Sichtweise durch, dass die Gleichung Überpronation = Verletzung keine zwangsläufige Verbindung ist sondern der Einzelfall betrachtet werden muss. Wie viel Übermässiges-nach-innen-kippen der Körper verträgt ist sehr individuell. Demnach passt der Satz: Es kommt darauf an.

Nicht jeder der überproniert bekommt zwangsläufig dadurch Probleme beim Laufen aber das Risiko für bestimmte Verletzungen erhöht sich v. a. bei starken Überpronierern. Durch das übermässige Nach-innen-Kippen rotiert oft auch der Unterschenkel und das Knie nach innen wodurch die Belastung in der Beinachse sich ungünstig verlagert. Typische Verletzungen bei einer Überpronation sind: Achillessehnenentzündung, Kniebeschwerden (häufig außen) inklusive Beschwerden an der Patellarsehne und Knochenhautentzündung am Schienbein. Sogar bis hoch zur Hüfte können Beschwerden durch eine Überpronation entstehen. Häufig treten die Beschwerden zunächst auf einer Seite auf.

Möglichkeiten bei der Laufschuhversorgung

Fast alle Hersteller bieten für Überpronierer geeignete Laufschuhe an. Die gängigste Laufschuhkategorie für Überpronierer heißt Stabil-/ Control- oder Supportschuhe. Für schwere Läufer mit extremer Überpronation gibt es darüber hinaus noch die Klasse der Bewegungskontrollschuhe. Diese Laufschuhkategorie verschwindet allerdings zusehends vom Markt. Daneben gibt es aber auch in der Klasse der Lightweighttrainer / Wettkampfschuhe, der Geländelaufschuhe und sogar in der Klasse der Fußtrainer für Überpronierer geeignete Modelle mit mehr Stabilität zur Innenseite. Die bekanntesten Vertreter der Stabilschuhklasse sind folgende Modelle: Adidas Supernova Sequence 4, Asics GT 2170 und Gel Kayano 18, Brooks Adrenaline GTS 12 sowie Nike Air Zoom Structure Triax+ 15.

Pronationsstütze mit 2 Härtegraden beim Brooks Adrenaline GTS 12 (c) BrooksDiese sind an den zumeist grau eingefärbten Pronationsstützen auf der Schuhinnenseite gut zu erkennen. Dafür wird härteres Material in Keilform, meist härter geschäumtes EVA, auf der Innenseite des Schuhes in der Zwischensohle eingesetzt. Die Pronationsstützen gibt es in verschiedenen Längen: nur im Rückfuß, Rückfuß und Mittelfuß, Rückfuß bis in den Vorfuß. Zudem hat fast jeder Hersteller für seine Pronationsstütze einen eigenen Namen der oft auch irgendwo in der Nähe der Stütze auf dem Schuh zu finden ist. So heißt die Pronationsstütze bei Marktführer Asics Duomax, bei Brooks PDRB und bei Saucony Dual Density SSL EVA. Bei Herstellern wie Mizuno ist die Pronationsstütze hingegen etwas schwerer zu erkennen. Durch die Wave Technologie verzichtet Mizuno auf den Einsatz von 2. Zwischensohlenhärten. Mizuno erreicht die Stabilität durch eine 2. Wave Platte die zur Innenseite hochgeklappt ist. Neben den Pronationsstützen sorgen auch folgende Schuhmerkmale für Stabilität: Mittelfußbrücke, Fersenkappe, Machart, Leistenform und Mittelfußsattel.

Unter Umständen lässt sich eine Überpronation nicht ausreichend durch die Schuhe korrigieren. Dann sind zusätzlich orthopädische Einlagen zu empfehlen. Diese können dann auch dem unter Umständen unterschiedlichem Abrollverhalten der beiden Füße angepasst werden, was mit dem Schuh alleine nicht möglich wäre. Der Platz für die orthopädische Einlage wird durch die Herausnahme der Herstellereinlage geschaffen. Oft reicht bei der Verwendung von orthopädischen Einlagen für Überpronierer aber ein stabiler Neutrallaufschuh aus. Das sollte auf jeden Fall geprüft werden. Ansonsten besteht die Gefahr der Überkorrektur.

Letzten Endes ist aber sowohl die orthopädische Einlage als auch der pronationsgestützte Schuh nur eine passive Hilfe. Im Optimlfall werden zusätzlich folgende aktive Maßnahmen ergriffen: Koordinationstraining und Lauf-ABC, Kräftigungsübungen für Fuß- und Beinmuskulatur, Barfußlaufen und Verbesserung des Laufstils.


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