Im FAQ Artikel „Sprengung bei Laufschuhen – Was ist das?“ beleuchte ich folgende Punkte:
- Definition Sprengung und Bauhöhe
- Einteilung von Laufschuhen nach deren Sprengung
- niedrig – 0 bis 4 mm
- mittel – 5 bis 9 mm
- hoch – 10 mm und mehr
- Sprengung bei verschiedenen Laufschuhmarken
- Welche Sprengung sollte ich wählen?
- Die Sprengung ist nur ein Merkmal des Laufschuhs
- Der Mix macht es
- Nicht eine Lösung für alle
Definiton Sprengung und Bauhöhe
Sprengung, im Englischen als „heel-to-toe drop“ oder einfach „drop“ bezeichnet, ist ein Begriff aus dem Laufschuhbau. Bei Laufschuhen wird darunter das Verhältnis der Zwischensohlendicke vom Rück- zum Vorfuß verstanden, d.h. um wie viele Millimeter steht die Ferse höher als der Vorfuß. Manchmal wird als Synonym auch der Begriff Absatzsprengung verwendet. Grundsätzlich gilt: Je niedriger die Sprengung desto flacher ist der Laufschuh. Je größer der „drop“ desto mehr Gefälle hat der Schuh zwischen hinten und vorne.
Eng mit dem Begriff Sprengung hängt die Bauhöhe (englisch stack high) zusammen. Diese gibt in 2 Werten die Höhe des Rück- und des Vorfußbereichs an. 17:9 mm bedeutet demnach, dass die Ferse 17 mm über dem Boden steht während der Vorfuß nur 9 mm erhöht steht. Die Sprengung errechnet sich als Differenz der Bauhöhe im Rückfuß zur Bauhöhe im Vorfuß. In diesem Beispiel wäre der „drop“ demnach 8 mm (17 mm – 9 mm).
In der Vergangenheit war es oft so, dass eine niedrige Sprengung mit wenig Dämpfung einherging. Das überrascht insofern nicht, da das Thema im Zuge des Natural Running Booms aufkam. Dort waren die Schuhe flach gebaut. Aufgrund der niedrigen Bauhöhe waren die Laufschuhe im Gegenzug wenig gedämpft.
Inzwischen gibt es aber auch Vertreter am Markt, die niedrige Höhendifferenz mit maximaler Dämpfung kombinieren. Hoka und Altra wären hier zu nennen. Der Hoka One One Speedgoat hat bspw. eine Bauhöhe von 33:29 mm. und ist damit im Bezug auf die Bauhöhe sehr hoch aufgebaut. Demgegenüber ist die Absatzsprengung mit 4 mm flach. Rein optisch wirkt diese aber deutlich höher. Gleiches gibt z. B. beim Altra Timp. 29:29 mm ist die Bauhöhe bei einer Nullsprengung. Oft steht der Fuß im Schuh tiefer als das von außen zu sehen ist. Demnach ist die Sprengung und die Bauhöhe nur eingeschränkt von außen beurteilbar und messbar.
Einteilung von Laufschuhen nach deren Sprengung
Da wir barfuß eine Nullsprengung haben, wird das auch im Laufschuh als die natürlichste Bauweise angesehen. Allerdings funktioniert das nicht für die Masse der Läufer weshalb bei vielen Laufschuhen ein mehr oder weniger deutlicher Unterschied zwischen der Höhe des Rück- und des Vorfußbereichs zu finden ist. Nach der Höhe der Sprengung lassen sich die Laufschuhe wie folgt einteilen:
niedrig – 0 bis 4 mm
In diese Range fallen v. a. Natural Running Schuhe / Barfußlaufschuhe und klassisch aufgebaute Wettkampfschuhe. Eine Ausnahme bilden Laufschuhe aus dem Bereich der Maximalschuhe wie z. B. von Altra die trotz der voluminösen Zwischensohle einen Nullsprengung haben. Meistens sind diese Laufschuhe aber mit einer flachen Zwischensohle versehen und bieten weniger Dämpfung und Komfort. Der Schwerpunkt liegt auf optimaler Rückmeldung vom Untergrund, kurzen Bodenkontaktzeiten und möglichst natürlichem (unbeeinflusstem) Laufverhalten. Eine gute und aktive Lauftechnik ist von Vorteil.
Während diese Laufschuhe rund um den Nike Free Boom ohne Ende gehypt wurden ist es inzwischen sehr ruhig darum geworden. Kaum eine große Marke bietet überhaupt noch Laufschuhe in dieser Kategorie an. Aktuell werden Natural Running Schuhe v. a. von Nischenanbietern im Markt vertrieben.
Typische Vertreter sind bspw. Altra Timp, Mizuno Wave Duel Sonic, NimbleToes Addict, Saucony Kinvara. Da viele Alltagsschuhe einen höheren Absatz aufweisen, sollte für die dann deutlich flacheren Laufschuhe ausreichend Zeit zur Gewöhnung eingeplant werden um Verletzungen vorzubeugen. Bei 4 mm und weniger wird insbesondere der Unterschenkel mit Achillessehne und Wade deutlich stärker belastet. Zu Beginn macht es Sinn diese Schuhe im Alltag zu tragen und dann langsam, zunächst auf kürzeren Strecken, ins Lauftraining zu überführen. Vor- und Mittelfußläufer wählen gerne Laufschuhe aus diesem Millimeterbereich. Dagegen kommen Rückfußläufer v. a. mit den krasseren und wenig gedämpften Modellen oft nicht zurecht.
mittel – 5 bis 9 mm
Mit mittelhoher Sprengung ausgestattet sind viele (leichte) Trainingslaufschuhe, Trailschuhe und auch die allermeisten neuen Karbonplattenwettkampfschuhe. Sie sind bezüglich dem „Gefälle im Schuh“ ein guter Kompromiss. Dazu gehören bspw. folgende Modelle: Adidas Adizero Adios Pro, Brooks Hyperion Elite / Cascadia, Mizuno Wave Duel / Wave Shadow, Nike ZoomX Vaporfly Next%, Salomon S-Lab Ultra, Saucony Ride / Guide / Kinvara / Endorphin Speed.
Eine Sprengung von 6 mm und mehr wird zumeist ohne größere Anpassungsprobleme toleriert. Im Grenzbereich von 5 – 6 mm sollte trotzdem vorsichtig vorgegangen werden. Vom Vor- über den Mittel- bis zum Rückfußläufer finden hier alle Läufer genügend Alternativen.
hoch – 10 mm und mehr
Die meisten Trainings- und Komfortlaufschuhe fallen in diesen Sprengungsbereich. Sie sind durchweg aufwendig sowie stark gedämpft und bieten viel Komfort. Die Sprengung reicht dabei bis maximal 13 mm, d.h. Vor- und Rückfuß haben eine Höhendifferenz von 13 mm. Die Laufschuhe mit dem höchsten Volumen im Markt finden sich in dieser Kategorie. So sind hier bspw. der Adidas UltraBoost, der Asics Gel Nimbus / Cumulus / Kayano, der Brooks Glycerin / Ghost, der Mizuno Wave Rider / Inspire oder auch der New Balance 860 / 880 zu finden.
Anpassungsprozesse und eine Gewöhnung an den Schuh ist zumindest bezüglich der Sprengung in diesem Bereich nicht von Nöten. Vor- und Mittelfußläufer werden hier nicht immer fündig. Rückfußläufer hingegen in den allermeisten Fällen. Die meisten Läufer rollen über die Ferse ab. Zudem wird eine höhere Absatzsprengung zumeist als komfortabler empfunden. Das erklärt auch warum in diesem Sprengungsbereich die mengenmäßig stärksten Modelle zu finden sind.
Sprengung bei verschiedenen Laufschuhmarken
Als das Sprengungsthema vor rund 10 – 12 Jahren aufkam, startete Nike mit seinem Modell Free gerade durch. Auch wenn der Natural Runner der Marke aus Portland vornehmlich als Freizeitschuh zum Einsatz kam begaben sich nahezu alle Marken früher oder später auf die Jagd um am Erfolg teilzuhaben.
Saucony war eine der ersten Marken, die das Thema konsequent in seinem Sortiment umsetze und auch bei den Trainingslaufschuhen eine niedrigere Sprengung einsetzte. Bis heute hat die amerikanische Laufschuhschmiede bei den meisten Trainingsschuhen einen „Drop“ von 8 mm. Zudem ist mit dem Modell Kinvara nach wie vor eines der ersten Natural Running Performancemodelle mit 4 mm Sprengung im Sortiment.
Die meisten anderen größeren Marken haben die Segel im Natural Running und der niedrigen Sprengung komplett gestrichen. So z. B. Adidas (Adipure), Asics (33), Brooks (PureProject), Mizuno (Be) oder auch New Balance (Minimus). Zwar wurde seither bei dem ein oder anderen Modell der „drop“ etwas verringert aber von einer durchgängigen, konsequenten Reduzierung der Sprengung im Sortiment kann nicht die Rede sein. Trotz allem haben Elemente aus der damaligen Zeit in den aktuellen Laufschuhen nach wie vor ihren Platz. Zudem ist seitdem das Thema Sprengung und Bauhöhe im Laufschuh wie bspw. das Schuhgewicht ein Merkmal das standartmäßig angegeben wird.
Zwei Marken, die aktuell nicht nur im amerikanischen Markt stark wachsen bauen aber nach wie vor auf wenig „Drop“. Altra hat in allen seinen Laufschuhen eine Nullsprengung, d.h. Vor- und Rückfuß sind auf gleichem Niveau. Hoka One One hingegen baut in seine Laufschuhe zwischen 4 und 6 mm Höhendifferenz ein. Des weiteren gibt es im Nischenbereich nach wie vor auf Natural Running und Nullsprengung spezialisierte Marken. Zum Beispiel verkauft die deutsche Firma Bär unter dem Label Joe Nimble Laufschuhe mit Nullsprengung.
Welche Sprengung sollte ich wählen?
Die Sprengung ist nur ein Merkmal des Laufschuhs
Die Sprengung ist nur ein und nicht das alles entscheidende Merkmal des Laufschuhs. Deshalb sollte sie auch nicht alleine als Auswahlkriterium genutzt werden. Einsatzbereich, Laufuntergrund, Laufumfang, Dämpfung, benötigte Stabilität, Dynamik, Flexibilität, Torsionsfähigkeit, Gewicht, Größe und Breite aber v. a. die Passform des Schuhs wären weitere, entscheidende Merkmale, die Berücksichtigung finden sollten.
Oft wird bei einem Laufschuh wenig Unterschied zwischen Rück- und Vprfußbereich vermutet wenn er sich sehr direkt läuft. Das kann aber genauso gut an der Festigkeit der Zwischensohle oder dem dynamischen Abrollverhalten liegen. Der „Drop“ kann trotzdem hoch sein. So ist es aktuell auch bei den Karbonplattenracern. Wichtig ist bei der Laufschuhauswahl, dass das Gesamtkonzept funktionieren muss. Und das ist sehr individuell. Ausführlich erkläre ich diese Einflußfaktoren in meinen Tipps zum Laufschuhkauf.
Der Mix macht es
Wenn über das Thema Sprengung diskutiert wird, wird es häufig sehr dogmatisch. Entweder dafür oder dagegen ist die Meinung. Ich bin der Überzeugung, dass es am besten ist, wenn verschiedene Laufschuhe mit unterschiedlicher Sprengung zum Einsatz kommen. Damit bekommt der Fuß immer wieder neue Reize und die Verletzungsanfälligkeit wird reduziert.
So könnte eine sinnvolle Laufschuhrotation bspw. wie folgt aussehen: Die Intervalleinheit auf der Bahn am Dienstag wird mit einem klassischen Wettkampfschuh mit niedriger Sprengung gelaufen. Im Anschluß wird noch etwas barfuß ausgelaufen. Dagegen kommt beim lockeren Grundlagenlauf am Mittwoch ein leichter Trainingsschuh mit mittlerem „Drop“ zum Einsatz. Wohingegen der Tempodauerlauf am Donnerstag in einem Karbonplattenracer mit mittlerer Absatzsprengung absolviert wird. Der lockere Grundlagenlauf am Samstag wird wiederum in einem Trainingsschuh mit niedrigem Höhenunterschied absolviert. Für den langen Lauf am Wochenende kommt ein gut gedämpfter, komfortabler Laufschuh mit eher hohem Gefälle im Schuh zum Einsatz.
Nicht eine Lösung für alle
Wie bei nahezu allen Laufschuhthemen gibt es keine für alle gültige und funktionierende Lösung. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Läufst du ohne Beschwerden und größere Verletzungen, dann bleibe frei nach dem Motto „never touch a running system“, bei dem Setup wie du es momentan am Start hast. Das betrifft dann Laufschuh und Laufstil.
Schwerere oder auch immer wiederkehrende Verletzungen und Probleme beim Laufen könnten aber durchaus ein Anlass sein um beim Laufschuh die Absatzsprengung aber auch den Laufstil zu überdenken. Das gilt übrigens in beide Richtungen, d.h. zu weniger und zu mehr. Wichtig ist im Fall zu weniger Sprengung und aktiverem Laufstil allerdings immer, dass dies Zeit, Geduld und begleitendes Training erfordert. Einfach an Stelle eines Laufschuhs mit 12 mm Sprengung auf einen Nullsprengung Schuh umzusteigen und weiterlaufen wie bisher wird selten funktionieren. Die nächste Verletzung, vermutlich aber an anderer Stelle, ist dann schon vorprogrammiert. Ein Wechsel zu mehr „Drop“ hingegen ist zumeist unproblematisch.
Nicht jeder kann und möchte sich so intensiv mit dem Laufen auseinandersetzen, dass er zusätzliche Zeit in trainingsbegleitende Gewöhnungsmaßnahmen investieren möchte. Deshalb ist für viele Läufer bei 4 – 6 mm Sprengung die Grenze nach unten erreicht. Bei bestimmten Verletzungen wie bspw. akute Achillessehnenentzündung oder Plantarfaszities aber auch orthopädischen Problematiken wie hohes Übergewicht oder schwere Überpronation sollte die 4 – 6 mm Grenze ebenfalls nicht unterschritten werden.
Zwei Anhaltspunkte noch zum Abschluß: Je aktiver der Laufstil, desto mehr machen Laufschuhe mit flacher Sprengung Sinn. Vor-und Mittelfußläufer wählen deshalb oft Laufschuhe mit wenig „drop“. Im Umkehrschluß bedeutet das, dass ausgeprägte Fersenläufer eher einen Laufschuh mit höherer Sprengung wählen sollten. Oder alternativ den harten Weg gehen, konsequent am Laufstil arbeiten und dann umsteigen.